07.06.2021

Björn Alpermann

‘In other news’: Chinas internationale Medienstrategie zu Xinjiang

Seit 2018 werden China in internationalen Medienberichten großangelegte Menschenrechtsverletzungen in der Autonomen Region der Uiguren Xinjiang vorgeworfen. Im Zentrum dieser Anschuldigungen stehen die ab 2017 errichteten Umerziehungslager, deren Existenz die chinesische Regierung zunächst standhaft leugnete. Erst im Oktober 2018, als die Beweislage durch Augenzeugenberichte und Satellitenaufnahmen erdrückend wurde, nahm sie eine Kehrtwende vor und behauptete, es handle sich um „Berufstechnische Schulungs- und Trainingszentren“ (职业技能教培中心), die zur „Deradikalisierung“ potenzieller Extremisten dienten. Diese Behauptung hat in Demokratien in Europa und Nordamerika wenig Glauben gefunden. Im Gegenteil hat sich die Liste der Vorwürfe seither um weitere Menschenrechtsverstöße erweitert. Dabei geht es um Folter, Zwangsarbeit, Zwangssterilisationen und ein breit angelegtes Programm zur kulturellen Umformung der Uiguren und anderer vorwiegend muslimischer Minderheiten in Xinjiang.

Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag die internationale Medienstrategie des chinesischen Parteistaates am Beispiel von zwei staatlichen Sendern – China Global Television Network (CGTN) und New China TV (Xinhua). Die Datengrundlage bilden sämtliche Videos, die diese beiden Sender über ihre YouTube-Kanäle in den Jahren 2018 bis 2020 an die internationale Öffentlichkeit gerichtet haben. Diese werden mit einer gemischt quantitativ-qualitativen Methodik untersucht. Im ersten Teil wird eine quantitative inhaltsanalytische Auswertung vorgenommen, um die Grundstrukturen der Medienstrategie darzustellen. Im zweiten Teil werden die vorherrschenden Narrative qualitativ untersucht und diskutiert. Es wird deutlich gemacht, wie die chinesischen Staatsmedien teils innovativ auf die Vorwürfe reagieren und die internationale Öffentlichkeit mit alternativen Lesarten von den Positionen der chinesischen Regierung zu überzeugen versuchen. Letztere zielen nicht nur auf die immer stärkere Integration Xinjiangs in die VR China ab, sondern letztlich auf eine kulturelle Transformation der dort lebenden Minderheiten, die an die Mehrheitsgesellschaft angepasst werden sollen. Die Analyse leistet sowohl einen Beitrag zum besseren Verständnis der chinesischen Außenpropaganda als auch der offiziellen Positionen zum Xinjiang-Konflikt.

  • Alpermann, Björn, „Tibet: Challenges of Development and Identity“, Asien: The German Journal on Contemporary Asia, No.137 (2015), 132-134.
  • Alpermann, Björn, „Tibeter und Uiguren in China: Minderheitenpolitik und Widerstand“, China heute XXXV, Nr. 2 (2016), 87-97.
  • Clarke, Michael, „The Problematic Progress of ‘Integration’ in the Chinese State’s Approach to Xinjiang, 1759 – 2005“, Asian Ethnicity 8, Nr. 3 (2007), 261-289.
  • Dillon, Michael, „Xinjiang and the Uyghurs“, in Zang Xiaowei (Hrsg.), Handbook on Ethnic Minorities in China, Cheltenham: Edward Elgar Publisching Limited 2016, 60-82.
  • Hastings Justin V., „More creative, more international: shifts in Uyghur-related violence“, in Terasa Wright (Hrsg.), Handbook of Protest and Resistance in China. UK: Edward Elgar 2019, 433-446.